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Warum der Einsatz nötig ist

1. In jeder Schulklasse, in jedem Lehrerzimmer sitzen lesbische, schwule, bisexuelle und trans* Menschen. Schätzungen zufolge sind zwischen 5 bis 10 % aller Menschen lesbisch oder schwul. Das heißt: In jeder Schulklasse sitzt mindestens eine lesbische Schülerin oder ein schwuler Schüler, und in jedem Kollegium gibt es lesbische Lehrerinnen und schwule Lehrer sowie bisexuelle und trans* Jugendliche und Erwachsene.
Schüler_innen sind Lesben, Schwulen und Trans*Menschen gegenüber häufig negativ eingestellt, ohne über nähere Informationen zu verfügen.

2. 71% der Jungen und 51% der Mädchen sind Homosexuellen gegenüber negativ eingestellt (Studie von iconkids & youth 1998 und 2002 und Simon 2007).

3. Vorurteile und die Angst, selbst Opfer von Mobbing zu werden, führen zur Ausgrenzung und Gewalt gegenüber Jugendlichen, die für lesbisch oder schwul gehalten werden. Lesbische, schwule und bisexuelle Jugendliche erleben in ihren Schulen Beschimpfungen, Beleidigungen und körperliche Gewalt (Studien der Senatsverwaltung Berlin 1999 und des Sozialministeriums Niedersachsen 2001).

4. Fehlende oder verzerrte Informationen und die Angst vor Ausgrenzung machen es lesbischen, schwulen, bi und trans* Jugendlichen immer noch sehr schwer, ein positives Selbstbild zu entwickeln. Die Mehrzahl der Lesben und Schwulen wusste vor dem 18. Lebensjahr, dass sie lesbisch oder schwul sind. Mehr als die Hälfte versuchte dies aber in der Folge zu verleugnen oder zu verbergen. Dies ist mit erheblichen psychischen Belastungen verbunden, die sich u.a. in einer vier bis siebenfach höheren Suizidrate von lesbischen und schwulen Jugendlichen äußern. (Studien der Senatsverwaltung Berlin 1999 und des Sozialministeriums Niedersachsen 2001).

5. Die Tatsache, dass bisher an den meisten Schulen wenig gegen Homophobie und Transphobie unternommen wird, führt dazu, dass lesbische, schwule, bisexuelle und trans*Schüler_innen an der Schule in ihren Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Lehrkräfte nehmen an ihren Schulen ein lesben- und schwulenfeindliches Klima wahr, wissen aber häufig nicht, was sie dagegen tun sollen (Studien aus unterschiedlichen europäischen Ländern).

6. Die Duldung eines homophoben Klimas an der Schule hat negative Auswirkungen auf alle Schüler_innen. Sie zeigt, dass Mobbing und andere Strategien der Ausgrenzung (scheinbar) in Ordnung seien. Sie schürt die Angst aller aufgrund eines Merkmals, das sie von anderen unterscheidet, Opfer von Diskriminierung und Ausgrenzung zu werden.

7. Die Möglichkeit, sich anhand von Informationen und konkreten Personen mit dem „Thema: Homosexualität“ zu beschäftigen, erhöht die Akzeptanz gegenüber lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen. Die Evaluation der Schulaufklärung von SchLAu NRW zeigt, dass Informationen und der direkte Kontakt mit den lesbischen, schwulen, bisexuellen und trans* Aufklärer_innen zum Abbau von Klischees und Vorbehalten führt.

8. Schule spielt eine wichtige Rolle bei der Einübung von Schlüsselkompetenzen für das Arbeitsleben. Dazu gehört auch im Rahmen der Anti-Diskriminierungsgesetzgebung die Unterschiedlichkeit anderer respektieren zu lernen. Dabei insbesondere das Merkmal „sexuelle Identität„ aufzugreifen ist deshalb notwendig, weil dieses Thema bisher häufig vernachlässigt wird.

9. Eine bejahende Einstellung zu Heterogenität und Vielfalt von Schüler_innen und Lehrer_innen ist sowohl ein Gewinn für jede/n Einzelne/n als auch für das Klima in der Schule. Während diese Einstellung für die Merkmale „Gender“, „ethnische Herkunft“ und „Behinderung“ in den letzten Jahren selbstverständlicher geworden ist, tut sich die Schulgemeinschaft mit dem Aspekt „sexuelle Orientierung“ noch schwer.

10. Obwohl das Schulgesetz und die Richtlinien zur Sexualerziehung des Landes NRW den Rahmen für eine fächerübergreifende und gleichberechtigte Darstellung aller Formen der sexuellen Orientierung geben, wird diese Möglichkeit bisher nur wenig genutzt. Gründe für die Abstinenz beim Thema „Homosexualität“ und „Trans*“ in der Schule sind u.a. mangelnde Konzepte, mangelnder Rückhalt im Kollegium und die Angst, sich mit diesem Thema zu exponieren.
Einerseits hat sich gesellschaftliche Situation von lesbischen, schwulen, bisexuellen und Trans* Menschen sich in den vergangenen 25 Jahren in Deutschland rechtlich entscheidend verändert:

  • 1990 strich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus dem internationalen Diagnoseschlüssel für Krankheiten. Seitdem können Lesben, Schwule und Bisexuelle nicht mehr als krank diagnostiziert werden.
  • 1994 wurde der § 175 Strafgesetzbuch abgeschafft. Er stellte sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe.
  • 2001 trat das Gesetz zur Eingetragenen Lebenspartnerschaft in Kraft. Es ermöglicht zwei Personen des gleichen Geschlechts das Eingehen einer gesetzlich geregelten Lebenspartnerschaft.
  • Seit 2005 ist es möglich, in einer gleichgeschlechtlichen Eingetragenen Lebenspartnerschaft das Kind des Partners oder der Partnerin zu adoptieren (Stiefkindadoption).
  • Seit Januar 2011 müssen sich transgeschlechtliche Menschen für eine Personenstandsänderung keiner geschlechtsangleichenden Operation mehr unterziehen (siehe sog. Transsexuellengesetz).

Andererseits können trotz dieser gesellschaftlichen Veränderungen Lesben, Schwule und Bisexuelle auch heute oft nicht mit der gleichen Akzeptanz rechnen wie Menschen mit heterosexuellen Lebensweisen. So kämpfen transgeschlechtliche Menschen immer noch um die Anerkennung ihrer Identitäten und um Entpathologisierung in unserer Gesellschaft.
Um tatsächlich eine Sexualerziehung in der Schule zu gewährleisten, die „der Förderung der Akzeptanz unter allen Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung und Identität und den damit verbundenen Beziehungen und Lebensweisen“ dient (§ 33 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen) und von allen Lehrkräfte diese Haltung – unabhängig von ihrer Fächerkombination – als Auftrag rechtlich bindend verlangt, arbeiten wir an der Realisierung:

  • einer Enttabuisierung des Themas „Homosexualität“ im Bildungsbereich;
  • der Förderung und Entwicklung von neuen Konzepten für den Umgang mit dem Thema „Homo- und Transphobie in der Schule“;
  • der Entwicklung von neuen Unterrichtsmaterialien, die das Thema „unterschiedliche sexuelle Orientierungen und geschlechtliche Identitäten“ stärker berücksichtigen;
  • der Aufnahme des Themas in Lehrpläne und -materialien, insbesondere im Bereich Antidiskriminierung;
  • einer stärkere Berücksichtigung des Themas in der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften;
  • einer Verstärkung der strukturellen und finanziellen Unterstützung von Schulaufklärung und Schulaufklärungsprojekten;
  • der Förderung von Projekten zur Gewaltprävention und Konfliktbewältigung, die die Themen „Homo- und Transphobie“ berücksichtigen.

Coming Out, ja oder nein? Ein schwuler Lehrer erzählt.

Schule der Vielfalt ist ein bundesweites Antidiskriminierungsnetzwerk. In Nordrhein-Westfalen wird das Programm durchgeführt als Kooperation von: